Ransmayr Christoph - Die Letzte Welt.pdf

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Christoph Ransmayrs Roman Die letzte Welt war das Ereignis
des Bücherherbstes 1988.
In seinem von der Kritik hymnisch gefeierten und wegen seiner
wunderbar poetischen, rhythmischen Sprache, seiner stilis-
tischen Eleganz, seiner bildmächtigen Traum- und Alptraum-
welten hochgelobten Roman ist die Verbannung des römischen
Dichters Ovid durch Kaiser Augustus im Jahre 8 n. Chr. der
historisch fixierte Ausgangspunkt einer sehr phantasievollen
Fiktion. Ein (durch Ovids ›Briefe aus der Verbannung‹)
ebenfalls historisch belegter Freund Ovids, der Römer Cotta,
macht sich in Ransmayrs Roman auf, in Tomi am Schwarzen
Meer sowohl nach dem Verbannten selbst zu suchen – in Rom
geht das Gerücht von seinem Tod –, als auch nach einer
Abschrift der ›Metamorphosen‹, des legendären Hauptwerks
von Ovid.
Cotta trifft in der »eisernen grauen Stadt« Tomi jedoch nur auf
Spuren Ovids, sein verfallenes Haus im Gebirge, seinen greisen
Diener Pythagoras und, je komplizierter und aussichtsloser sich
die Suche gestaltet, auf immer rätselhaftere Zeichen der
›Metamorphosen‹, in Bildern, Figuren, wunderbaren Begeben-
heiten. Bis sich zuletzt Cotta selbst in der geheimnisvoll
unwirklichen Welt der Verwandlungen zu verlieren scheint: die
Auflösung dieser »letzten Welt« ist wieder zu Literatur
geworden.
Christoph Ransmayr , geboren 1954 in Wels/Oberösterreich.
Studium der Philosophie in Wien. Mehrere Jahre Kultur-
redakteur, seit 1982 freier Autor. Veröffentlichungen in
zahlreichen deutschen und österreichischen Zeitschriften. Lebt
in Wien.
Christoph Ransmayr
DIE
LETZTE
WELT
Roman
Mit
einem Ovidischen
Repertoire
Ziffer Zeichnungen
von
Anita Albus
Fischer Taschenbuch Verlag
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Andreas Thalmayr gewidmet.
Ungekürzte Ausgabe
Veröffentlicht im Fischer Taschenbuch Verlag GmbH,
Frankfurt am Main, April 1991
Lizenzausgabe mit freundlicher Genehmigung
Der Vito von Eichborn GmbH & Co. Verlag KH,
Frankfurt am Main
© Greno Verlagsgesellschaft mbH, Nördlingen 1988
Umschlaggestaltung: Buchholz/Hinsch/Hensinger
Abbildung: Jannis Kounellis, ›Die Hand an der Schläfe‹, 1987
Druck und Bindung: Clausen & Bosse, Leck
Printed in Germany
ISBN 3-596-29538-6
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Ein Orkan, das war ein Vogelschwarm hoch oben in der
Nacht; ein weißer Schwarm, der rauschend näher kam und
plötzlich nur noch die Krone einer ungeheuren Welle war, die
auf das Schiff zusprang. Ein Orkan, das war das Schreien und
das Weinen im Dunkel unter Deck und der saure Gestank des
Erbrochenen. Das war ein Hund, der in den Sturzseen toll
wurde und einem Matrosen die Sehnen zerriß. Über der Wunde
schloß sich die Gischt. Ein Orkan, das war die Reise nach
Tomi.
Obwohl er auch tagsüber und an so vielen, immer
entlegeneren Orten des Schiffes aus seinem Elend in die
Bewußtlosigkeit oder wenigstens in einen Traum zu flüchten
versuchte, fand Cotta auf dem Ägäischen und dann auch auf
dem Schwarzen Meer keinen Schlaf. Wann immer seine
Erschöpfung ihn hoffen ließ, drückte er sich Wachs in die
Ohren, band sich einen blauen Wollschal vor die Augen, sank
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